Persönliche Einschätzung der Markt-Entwicklungen für XR-Training und Remote Assist!

Der deutsche B2B-Markt für XR-Technologien im Bereich Training und Remote Assist ist noch weitgehend unerforscht. Es gibt kaum aussagekräftige Kennzahlen, die eine fundierte Marktanalyse ermöglichen. Diese Kurz-Potentialanalyse stützt sich daher auf wenige verfügbare Marktdaten, die mit meinen persönlichen Erfahrungen verknüpft werden. Daraus ergibt sich eine individuelle Analyse und Einschätzung des Marktes (Stand März 2023). Die Aussagen sind nicht durch aktuelle validierte Studien für den deutschen B2B-Bereich belegt und spiegeln meine persönliche Meinung wider.
Die wesentlichen Quellen meiner Ausgangsüberlegungen beziehen sich auf:

Wichtige Kennzahlen (Markt im Überblick – Stand 2021)

Aus den oben genannten Quellen habe ich für meine persönliche Einschätzung relevante Kennzahlen herangezogen.

  • 2021 gibt es in Deutschland 1.353 (im Jahr 2022 1.613 Unternehmen) Unternehmen mit 414 Nebenstandorten, die mit der Entwicklung und Implementierung von XR-Technologien befasst sind. Allein in den Jahren 2016-2020 gab es jährlich rund 93 Neugründungen in der XR-Branche – rund ein Drittel der derzeitigen XR-Unternehmen sind also erst seit 2016 am Markt tätig.
  • Durchschnittlich werden viermal mehr XR-Unternehmen pro Jahr gegründet als aus dem Markt ausscheiden. Dies lässt den Branchenumsatz gegenüber dem Vorjahr deutlich steigen. So konnte die Branche 2021 geschätzt zwischen 490 und 550 Millionen Euro erwirtschaften, nach 380 bis 420 Millionen Euro im Coronajahr 2020. Dies entspricht einem Wachstum von 29 bis 31 Prozent. Damit liegt die XR-Branche nun im Mittelfeld dynamisch wachsender Branchen, wie etwa der deutschen Games-Produzenten/Publisher oder dem Influencer-Marketing.
  • Deutschlandweit rechnet die Studie mit 10.000 Beschäftigten im Jahr 2021 insgesamt, wobei typischerweise ein Großteil der XR-Branche kleinere und mittlere Firmengrößen umfasst: 54 Prozent der Unternehmen haben zehn oder weniger Mitarbeiter. Nur jedes achte Unternehmen beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter.
  • Der Artikel aus der Quelle weicht bei den Mitarbeiterzahlen massiv von der Studie ab, deshalb werden die Zahlen an dieser Stelle alternativ aufgeführt.
  • Die Zahl der Mitarbeiter:innen, die in den XR-Firmen insgesamt beschäftigt sind, beläuft sich insgesamt auf 57.200 Personen. In dieser Zahl sind die 44 Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten nicht enthalten, da dies den Wert im Falle von Großkonzernen stark erhöht hätte. Dies entspricht einem Plus von 11 Prozent gegenüber 2021.
  • Während viele Firmen Lösungen im Bereich der Produktpräsentation anbieten (76 Prozent), sind auch Consulting, XR Hard-& Software sowie XR-Training mit jeweils 71 Prozent in der Angebotspalette der Unternehmen stark vertreten. Design- und Simulationsanwendungsfälle machen rund 68 Prozent aus, während Conferencing- & Kollaboration-Lösungen von 57 Prozent der Unternehmen angeboten werden (im Vergleich zum Vorjahr 2020 +29 Prozent).

Auch viele andere Bereiche konnten einen Wachstumsprozess zwischen 13 und 17 Prozent verzeichnen.

Basierend auf den vorherigen Kennzahlen wird prognostiziert, dass sich der Markt wie folgt perspektivisch weiterentwickelt. Dies deckt sich mit meiner persönlichen Wahrnehmung.
Perspektivisch sehen die meisten Befragten die Zukunft für VR (70 Prozent) & MR (82 Prozent) im Bereich des virtuellen Trainings, für AR im Bereich Produktpräsentationen (62 Prozent).
Dies verteilt sich auf Anwendungsfälle wie Simulationslösungen für Produktpräsentationen und Fertigungsprozesse, interaktive VR-Trainings für Unternehmen, Angebote für AR-basiertes Lernen oder virtuelle Shops und Showrooms.
Befragte sehen bei Mixed Reality Anwendungen, ähnlich wie bei AR/VR, starke Hürden bedingt durch fehlende Standards auf B2B-Ebene und erhöhten Erklärungsbedarf mit Blick auf die Einführung.
„In den vergangenen Jahren hat sich die Dynamik sicherlich beschleunigt, zuletzt durch das Thema Metaverse. Ein wichtiger Anwendungsfall ist das Thema Training, bei Azubis ebenso wie bei Spezialisten. Dank XR können sie gewisse Situationen erproben, die man in der Echtwelt kaum oder gar nicht darstellen kann“, bestätigt Prof. Dr. Christian Zabel.

Wirtschaftliches Umfeld (Stand 2021)

Grundlegend ist die XR-Branche in Deutschland von der Corona-Krise weniger getroffen worden als zunächst erwartet. Nur fünf Prozent aller Unternehmen beklagen einen Umsatzverlust von über 50 Prozent. Eine Mehrheit von 54 Prozent ging mit stabilen oder sogar steigenden Umsätzen aus dem Krisenjahr 2020 hervor. Ein Viertel aller Befragten suchte nach Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten (25,4 Prozent) oder stellte das eigene Geschäftskonzept um (22,5 Prozent).

Von den geförderten Unternehmen gibt ein Großteil an, dass die staatlichen Gelder nicht oder überhaupt nicht ausreichend waren (ca. 34,5 Prozent). Am häufigsten wurden im Krisenjahr 2020 eigene Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten ausgedehnt (32,4 Prozent) und in den Ausbau der Digitalisierung investiert. Mehr als jedes achte Unternehmen musste jedoch auch Personal abbauen (14,7 Prozent).

Für 2020 konnte die XR-Branche Umsätze in Höhe von rund 400 Millionen Euro erzielen. Dabei waren die Firmen in NRW (rund 84 Millionen Euro), vor Berlin und Bayern (64 Millionen) sowie Baden-Württemberg und Hamburg (50 bzw. 33 Millionen Euro), auch am umsatzstärksten.

Relevante Statistiken

Quelle: Statista

Prognose zum Umsatz mit Virtual Reality in Deutschland von 2019 bis 2024 (in Millionen EUR)

Quelle: Statista

Für welche Inhalte haben Sie Virtual Reality bereits genutzt?

Quelle: Statista

Für welche Inhalte haben Sie Augmented Reality bereits genutzt?

Persönliche Schlussfolgerung des Autors der Statistiken versus Kennzahlen:
Persönlich fällt mir die Diskrepanz zwischen Anbietern und den Anwendungsfällen zwischen dem B2B-und B2C-Umfeld auf. Ich interpretiere das so, dass sich der Großteil der Unternehmen auf das kleinere Marktsegment fokussiert, da dort die Eintrittshürde deutlich geringer ist, als in einem „Massenmarkt“ bestehen zu können.
Eine andere Auffälligkeit ist der Einsatz von AR im privaten Bereich. Ich bin mir nicht sicher, wie hier AR definiert wird. Ich persönlich glaube nicht, dass private Nutzer zu Hause eine Hololens oder ähnliche Brillen für Games verwenden. Erstens ist der Preis zu hoch und zweitens das Spieleangebot meiner Meinung nach noch nicht relevant. Vermutlich bezieht sich die Zahl auf Smartphones oder ähnliche Devices. Ein gutes Beispiel könnte Pokémon-Go sein.

Marktführerpotentiale für den Trainings- und Remote Assist-Markt?

Technologisch basieren meiner Meinung nach die meisten Lösungen auf den Plattform-Lösungen von Unity, Unreal, Nvidia, Microsoft und Potential bei Meta. Dadurch sind diese Hersteller für mich auf jeden Fall als Marktführer zu identifizieren.

Betrachtet man nun Lösungen, die auf diesen Technologien aufbauen, kann das betrachtete Marktsegment deutlich nach unterschiedlichen Anwendungsfällen differenziert werden.

AR-Training und Tutorial-Erstellung im Industrial Metaverse.

Der globale Anbieter PTC bietet ein ausgereiftes Portfolio für AR-Training und Tutorial-Erstellung an und hat meiner Meinung nach mit der Vuforia-Suite das Potential als Marktführer, falls er das nicht schon ist. Ein weiterer Vorteil ist die Integration der CAD-Daten und IoT-Suiten. Der Fokus liegt aber zu 100% auf AR. PTC hat bis heute kein Lösungsangebot für die Virtual Reality und scheint dies auch nicht zu beabsichtigen.

AR-Tutorial und Remote Assist im Industrial Metaverse

Microsoft mit Guides und seiner verbreiteten Plattform Teams hat hier sehr gutes Potential, aber kein spezielles Angebot für AR-Training. Ein weiterer Vorteil ist die Partnerschaft zu allen relevanten Anbietern in Kombination mit sehr leistungsfähigen Azure-Angeboten und Integrationen. Komplexität kann aber auch ein Nachteil sein. Mit Teamviewer und Realwear existieren zwei weitere mir bekannte globale Hersteller im Bereich Remote Assist mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

VR/AR im Collaboration Metaverse

Im Wesentlichen sind collaborative VR/AR/MR-Umgebungen gemeint, die sich auf Themen der Zusammenarbeit, wie Meetings, Workshops und Softskill-Trainings (Innovation, Teambuilding, Softskills, usw.) fokussieren. Persönlich sehe ich Microsoft mit Mesh und Meta Workrooms als heißeste Kandidaten. Aber beide Anwärter müssen sich nun klar äußern und positionieren, wie die Roadmap aussieht. Sollte das passieren, werden aktuelle Anbieter wie Glue, Engage, Spatial, Arthur usw. vermutlich keine große Rolle mehr in diesem Segment spielen. Aber Microsoft und Meta müssen zeitnah auch liefern und nicht nur ankündigen. Das ist momentan meiner persönlichen Meinung nach das größte Marktrisiko in Richtung Akzeptanz im B2B-Bereich.
Das collaborative Metaverse bietet durch die Multiuserfunktionen eine gute Basis für klassische Softskill-Trainings für Anbieter von Autorensystemen.

VR/AR-Training im Industrial und Collaborative Metaverse (Software- vs. Projektanbieter)

Dieser Markt ist meiner persönlichen Meinung nach aktuell sehr heterogen und intransparent für B2B-Kunden und ohne echten erkennbaren Marktführer. Die meisten VR/AR-Trainings werden auf Unity, Unreal und Nvidia-Omniverse entwickelt.

Auf der einen Seite bieten Softwarehersteller leistungsfähige Autorentools für unterschiedliche Trainingsszenarien an, teilweise sowohl für VR als auch AR. Einige Autorentools sind eher geeignet für Softskill-Trainings im Bereich Persönlichkeitsbildung, wie zum Beispiel Gesprächsführung, gemeinsam Ideen entwickeln, klassische Lerninhalte immersiver aufbauen, uvm.. Andere wiederum sind für das Erlernen motorischer Fertigkeiten, wie zum Beispiel Bedienung einer Maschine (alleine oder gemeinsam im Team) am digitalen Twin, Durchführung von Pflegemaßnahmen an einem Patienten oder im Bereich Cobot, bei dem Menschen und Roboter gemeinsam zusammenarbeiten, konzipiert.

Einige Softwarehersteller liefern mit ihrem Autorensystem gleichzeitig fertigen Lern-Content oder Toolbibliotheken für eine bestimmte Branche oder Szenario aus. Sehr gut geeignet sind hier Pflegeszenarien, Einsatzszenarien von Feuerwehr, Polizei, Schweißen usw. sowie Standardwerkzeuge in der Produktionsstätte.

Auf der anderen Seite werden trotz eines immer besseren Reifegrades der Autorentools noch sehr viel Trainingssysteme auf Projektebene individuell erstellt. Persönlich macht das aus meiner Perspektive heutzutage kaum noch Sinn und sollte von der Menge her nur noch die Spitze des Eisberges abdecken.

Wie die zur Verfügung stehenden Kennzahlen bestätigen, ist das Thema Training ein sehr beliebtes und praktisches Szenario für den Bereich VR und AR. Befeuert wird der Markt noch durch stattliche Fördermittel, die immer mehr neue Startups oder Projekte aus dem Trainingsmarkt finanzieren, ohne wirklich neue Innovationen und Anwendungsfälle hervorzubringen. Das ist meiner persönlichen Meinung nach kontraproduktiv und nicht wirklich zielführend.

Dies kann sogar dazu führen, dass langjährige Unternehmen, die keine Fördermittel mehr erhalten, vom Markt verschwinden, weil sie durch einen unnötig subventionierten Wettbewerb nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die schnellen technologischen Veränderungen in ihren Produkten umzusetzen.

Mein Fazit

VR/AR-Trainings und AR-Remote-Assist eignen sich sehr gut für B2B-Anwendungsfälle und bringen in der Regel schnelle Amortisationen. Leider ist der Begriff „Metaverse“ durch den Rückschlag von Meta aktuell etwas verbrannt, so dass potenzielle Kunden sich gerade eher abwartend verhalten. Das ist aus meiner Sicht aber unnötig, wenn man etwas genauer hinschaut. Richtig ist, das allumfassende „Metaversum“ existiert noch nicht und es werden sicherlich einige Jahre ins Land gehen, bis es so weit ist. Aber alle sind sich einig, dass es kommen wird, sowohl im privaten wie im geschäftlichen Umfeld.

Im Bereich B2B gibt es schon unglaublich viele sinnvolle Einsatzszenarien, die sich schnell rechnen und Unternehmen erste Erfahrungen im Umgang mit dieser Technologie sammeln lassen. Dabei spielt es aus meiner Sicht keine Rolle, ob es jetzt „Industrial oder Commercial Metaverse“, VR, AR, XR oder sonst wie genannt wird. Diese Terminologien werden gerade nach Belieben eingesetzt und tragen erst einmal kaum zur Transparenz bei.

In diesem Artikel wird der Fokus auf Training und Remote Assist gelegt. Simulationen, Produktionsplanung, Produkt- und Verkaufs-Präsentationen, Integration mit Künstlicher Intelligenz oder IoT werden gar nicht betrachtet und bieten zusätzlich enorme Effizienz-Potentiale.

Dennoch besteht für Endkunden durch die „Wildheit des Marktes“ auch ein gewisses Risiko, was ihre Investitionen anbelangt. An dieser Stelle möchte ich ein paar Tipps geben, damit Sie heute schon profitieren und gleichzeitig das Risiko minimieren können.

  • Eine große globale Strategie ist aktuell nur für ganz wenige Unternehmen sinnvoll und machbar. Konzentrieren Sie sich aktuell auf gute Anwendungsfälle, die sich schnell amortisieren. Die gibt es bei näherer Betrachtung zuhauf und sammeln Sie erste Erfahrungen im Umgang mit dieser neuen Technologie.
  • Unabhängig davon, auf welchen Hersteller Sie setzen, stellen Sie sicher, dass die Lösungen oder Individualentwicklungen auf Basis der großen Plattformanbieter basieren.
  • Achten Sie darauf, dass Ihre Lösungen auf möglichst vielen Endgeräten und nicht nur auf Spezialhardware zur Verfügung steht. Auch bei der Hardware besteht aktuell hohes Weiterentwicklungs- und Innovations-Potential. Es gibt schon offene Standards, die man beachten kann, um sich nicht einzuschränken.
  • Stellen Sie sicher, dass eigene Anpassungen bzw. Individualisierung Ihrer Lösungen auf Basis der Plattformanbieter möglich sind.
  • Bedenken Sie, dass im Bereich Training und Remote-Assist ein reifer Markt von Herstellern existiert, so dass Individualerstellung nur in Ausnahmefällen notwendig ist. Gute Hersteller bieten auch direkt Schnittstellen zu AI, IoT, CAD usw.
  • Bauen Sie sukzessive eigenes internes Know-how nach den ersten Erfolgsprojekten im Haus auf. Es könnte sich zu einer Kernkompetenz im Unternehmen entwickeln.
  • Seien Sie mutig und probieren Sie einfach aus. Wenn Sie Objekte auf Basis der vorhandenen Standard-Plattformen erstellen, können Sie die einmal erstellten Daten und Objekte in vielen Szenarien wiederverwenden.
Holger Dümpelmann